Aktuelle Neuigkeiten zu den Forderungen
ORF: "Sesselpupser und weiße Elefanten"
Schauspieler Harald Krassnitzer sprach mit „profil“ über die Lähmung und Orientierungslosigkeit des ORF, über Quotenhörigkeit, Landeshauptmannfernsehen sowie die Mutlosigkeit und Inkompetenz der Politik, die den ORF auf ein Debakel zusteuern lässt, wie wir es gerade bei der AUA erlebt haben.
Profil: Sie sind der ORF-Mann für alle Fälle: "Winzerkönig", "Tatort"-Kommissar, diese Woche Co-Interviewer im Parteichef-"Sommergespräch". Wie erleben Sie die ORF-Krise?
Krassnitzer: Die Innensicht liefert schon andere Bilder. Ich stehe ja an der Front und bin ein Teil der Wirtschaft, die dem ORF Content liefert. Dort spürt man natürlich die Lähmung und die Orientierungslosigkeit des ORF. Man mag zu Sendungen wie "Lottosieger" stehen, wie man will, aber das war eine erfolgreiche österreichische Serie, die jetzt eingestellt wird. Da fragt man sich schon, warum man dort spart.
profil: Wo sollte man denn sparen?
Krassnitzer: Leider liegt immer noch kein Konzept für den Strukturwandel im ORF vor. Es gibt keinen einzigen Vorschlag, wie das Unternehmen verändert werden soll. Die Politik sagt nicht: Wird es ein neues ORF-Gesetz geben? Einen Rauswurf der Mannschaft? Das ist ein endloses Herumgeeiere. Und die ORF-Spitze wartet wie das Kaninchen vor der Schlange und traut sich nicht, eine Richtung einzuschlagen.
profil: Sie werfen der ORF-Führung also Mutlosigkeit vor?
Krassnitzer: Ich denke, dass ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz durchaus in der Lage wäre, seinen Job gut zu machen. Er geht geschickt mit den Finanzen um; er sollte sich nur gewahr werden, dass er dieses Unternehmen führen muss. Er hat nur eine Chance: Entweder er führt den ORF bis 2011 aus der Krise, oder er geht mit Bomben und Granaten unter - und mit ihm wohl auch der ORF.
profil: Was müsste er also tun?
Krassnitzer: Kein Unternehmen dieser Kapitalstärke kann das Golden-Handshake-Modell nach Gießkannenprinzip durchstehen. Wrabetz muss sich die Kräfte suchen, die er tatsächlich loswerden will. Nur beim ORF gibt es eine Ausschreibung, und jeder, der will, kann gehen. Da sind aber viele erstklassige Journalisten dabei, die dem ORF ein kreatives Rückgrat geben. Und was bleibt übrig? Die Sesselpupser und weißen Elefanten, die nur darauf warten, dass es den nächsten Regierungswechsel gibt, damit sie beim nächsten Arsch wieder rausschauen können.
profil: Soll auch die Zahl der ORF-Direktoren reduziert werden?
Krassnitzer: Die Anzahl der Direktoren muss man kürzen, um den ORF effizienter führen zu können und sich weiße Elefanten zu sparen. Außerdem erscheint es mir zweifelhaft, einen Aufsichtsrat mit 32 Leuten zu haben. Das produziert nur viele Zurufe und keine klare Linie. Es wäre sinnvoller, einen schmalen Aufsichtsrat ohne Betriebsräte zu schaffen.
profil: Wie inkompetent geht die Politik mit demORF um?
Krassnitzer: Sie macht das Unternehmen kaputt. Offenbar ist das eine klassische Strategie bei staatsnahen Unternehmen - wie wir es gerade bei der AUA erleben. Der ORF steuert auf ein ähnliches Debakel zu. Aus allen politischen Richtungen wird er sturmreif geschossen.
profil: Welche Absicht vermuten Sie dahinter?
Krassnitzer: Offenbar soll ein ORF-Kanal verkauft werden. Dann wäre aber das Unternehmen tot. Denn was soll man auf dem einen Kanal noch senden? Nur noch klassisches Infotainment und ein paar Dokumentationen? Oder nur amerikanische Serien? Österreichische Produktionen haben viel mehr Zuseher. Gefällt Ihnen Hansi Hinterseer oder Brad Pitt besser?
profil: Brad Pitt natürlich.
Krassnitzer: Das zeigt, dass Sie schlechten Geschmack haben. Die Mehrheit der Österreicher bevorzugt Hinterseer. Der bringt wirklich Quote.
profil: Weil er im Hauptabendprogramm gespielt wird. Anspruchsvolle Filme oder Dokumentationen werden ins Nachtprogramm verräumt.
Krassnitzer: Eigentlich müsste sich der ORF aus der Quotenhörigkeit verabschieden. Natürlich legitimiert die Quote bis zu einem gewissen Grad öffentliche Gelder. Ich sehe auch gern Pasolini-Filme, aber ich glaube nicht, dass es tragbar wäre, "Die 120 Tage von Sodom" in Endlosschleife abzuspielen. Da hätten wir nicht viele Zuseher.
profil: Also ist es in Ordnung, wenn Qualitätsprodukte im Nachtprogramm verräumt werden?
Krassnitzer: Man kann doch auf einem Kanal etwas Qualitatives und auf dem anderen etwas für die breite Masse spielen. Das könnte etwa ein mögliches Zukunftskonzept sein. Der Letzte, der sich im ORF aber getraut hat, derart konzeptiv und unternehmerisch zu denken, war Gerhard Zeiler. Der hatte einen Plan.
profil: Sie haben mehrere Punkte für einen ORF neu aufgezählt. Machen diese den so genannten Bildungsauftrag des ORF aus?
Krassnitzer: Es hätte ja keinen Sinn, aus dem ORF einen Schulfensehsender zu machen oder wieder Russisch-Lektionen auszustrahlen. Das geht heute nicht mehr in der Stringenz wie in den sechziger Jahren. Aber man kann etwa Dokumentationen zeigen. Der ORF hat sich derzeit völlig aus dem Dokumentarfilm verabschiedet: Er finanziert sie nicht mit und zeigt sie nur auf Feigenblatt-Plätzen. Oder man kann eigene Produktionen zeigen. Aber aufgrund seiner Budgetsituation hat der ORF überhaupt keinen Planungszeitraum mehr.
profil: Die Finanzsituation kam ja nicht überraschend. Der ORF hat eine sehr teure Struktur, die Bundesländerstudios sind kostspielig. All das weiß man seit Jahren.
Krassnitzer: Stimmt schon. Für das Bundesländerfernsehen gäbe es aber eine elegante Lösung. Wir senden auf neun digitalen Sendern, die jeder empfangen kann, neunmal dasselbe. Da wirst du verrückt. Ich verstehe nicht, warum dort die Eigenproduktionen nicht verwertet werden.
profil: Dagegen würden die Landeshauptleute protestieren, weil sie dann nicht mehr ihre Exklusivberichte über die Eröffnung neuer Fußgängerzonen bekommen würden.
Krassnitzer: Vom Landeshauptmannfernsehen sollten wir uns endlich verabschieden. Ich bin ja nicht naiv und glaube an einen entpolitisierten ORF. In einem Land, in dem es sogar Autofahrerklubs von ÖVP und SPÖ gibt, wird die Politik immer auch im Fernsehen mitmischen. Alles andere ist nur eine schöne Utopie.
profil: Sie agieren hier mit Zurufen an die ORF-Spitze. Hätten Sie durch Ihr Nahverhältnis zu Wrabetz nicht auch die Chance, ihm auch persönlich Ihre Sicht der Dinge darzulegen?
Krassnitzer: Natürlich könnte ich auch den österreichischen Weg gehen: den Weg des Mauschelns und des Tricksens, um hinterrücks in irgendwelche Darmwindungen zu gelangen. Der ORF ist es aber wert, öffentlich diskutiert zu werden. Sonst sind wir irgendwann so weit, dass in diesem Sender nichts mehr läuft als 24 Stunden Politiker-Palatschinkengesichter.
Das ganze Interview, das Stefan Grissemann und Eva Linsinger mit Harald Krassnitzer geführt haben, ist in der aktuellen profil-Ausgabe (Nr.36 vom 31.August 2009) nachzulesen.
Profil: Sie sind der ORF-Mann für alle Fälle: "Winzerkönig", "Tatort"-Kommissar, diese Woche Co-Interviewer im Parteichef-"Sommergespräch". Wie erleben Sie die ORF-Krise?
Krassnitzer: Die Innensicht liefert schon andere Bilder. Ich stehe ja an der Front und bin ein Teil der Wirtschaft, die dem ORF Content liefert. Dort spürt man natürlich die Lähmung und die Orientierungslosigkeit des ORF. Man mag zu Sendungen wie "Lottosieger" stehen, wie man will, aber das war eine erfolgreiche österreichische Serie, die jetzt eingestellt wird. Da fragt man sich schon, warum man dort spart.
profil: Wo sollte man denn sparen?
Krassnitzer: Leider liegt immer noch kein Konzept für den Strukturwandel im ORF vor. Es gibt keinen einzigen Vorschlag, wie das Unternehmen verändert werden soll. Die Politik sagt nicht: Wird es ein neues ORF-Gesetz geben? Einen Rauswurf der Mannschaft? Das ist ein endloses Herumgeeiere. Und die ORF-Spitze wartet wie das Kaninchen vor der Schlange und traut sich nicht, eine Richtung einzuschlagen.
profil: Sie werfen der ORF-Führung also Mutlosigkeit vor?
Krassnitzer: Ich denke, dass ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz durchaus in der Lage wäre, seinen Job gut zu machen. Er geht geschickt mit den Finanzen um; er sollte sich nur gewahr werden, dass er dieses Unternehmen führen muss. Er hat nur eine Chance: Entweder er führt den ORF bis 2011 aus der Krise, oder er geht mit Bomben und Granaten unter - und mit ihm wohl auch der ORF.
profil: Was müsste er also tun?
Krassnitzer: Kein Unternehmen dieser Kapitalstärke kann das Golden-Handshake-Modell nach Gießkannenprinzip durchstehen. Wrabetz muss sich die Kräfte suchen, die er tatsächlich loswerden will. Nur beim ORF gibt es eine Ausschreibung, und jeder, der will, kann gehen. Da sind aber viele erstklassige Journalisten dabei, die dem ORF ein kreatives Rückgrat geben. Und was bleibt übrig? Die Sesselpupser und weißen Elefanten, die nur darauf warten, dass es den nächsten Regierungswechsel gibt, damit sie beim nächsten Arsch wieder rausschauen können.
profil: Soll auch die Zahl der ORF-Direktoren reduziert werden?
Krassnitzer: Die Anzahl der Direktoren muss man kürzen, um den ORF effizienter führen zu können und sich weiße Elefanten zu sparen. Außerdem erscheint es mir zweifelhaft, einen Aufsichtsrat mit 32 Leuten zu haben. Das produziert nur viele Zurufe und keine klare Linie. Es wäre sinnvoller, einen schmalen Aufsichtsrat ohne Betriebsräte zu schaffen.
profil: Wie inkompetent geht die Politik mit demORF um?
Krassnitzer: Sie macht das Unternehmen kaputt. Offenbar ist das eine klassische Strategie bei staatsnahen Unternehmen - wie wir es gerade bei der AUA erleben. Der ORF steuert auf ein ähnliches Debakel zu. Aus allen politischen Richtungen wird er sturmreif geschossen.
profil: Welche Absicht vermuten Sie dahinter?
Krassnitzer: Offenbar soll ein ORF-Kanal verkauft werden. Dann wäre aber das Unternehmen tot. Denn was soll man auf dem einen Kanal noch senden? Nur noch klassisches Infotainment und ein paar Dokumentationen? Oder nur amerikanische Serien? Österreichische Produktionen haben viel mehr Zuseher. Gefällt Ihnen Hansi Hinterseer oder Brad Pitt besser?
profil: Brad Pitt natürlich.
Krassnitzer: Das zeigt, dass Sie schlechten Geschmack haben. Die Mehrheit der Österreicher bevorzugt Hinterseer. Der bringt wirklich Quote.
profil: Weil er im Hauptabendprogramm gespielt wird. Anspruchsvolle Filme oder Dokumentationen werden ins Nachtprogramm verräumt.
Krassnitzer: Eigentlich müsste sich der ORF aus der Quotenhörigkeit verabschieden. Natürlich legitimiert die Quote bis zu einem gewissen Grad öffentliche Gelder. Ich sehe auch gern Pasolini-Filme, aber ich glaube nicht, dass es tragbar wäre, "Die 120 Tage von Sodom" in Endlosschleife abzuspielen. Da hätten wir nicht viele Zuseher.
profil: Also ist es in Ordnung, wenn Qualitätsprodukte im Nachtprogramm verräumt werden?
Krassnitzer: Man kann doch auf einem Kanal etwas Qualitatives und auf dem anderen etwas für die breite Masse spielen. Das könnte etwa ein mögliches Zukunftskonzept sein. Der Letzte, der sich im ORF aber getraut hat, derart konzeptiv und unternehmerisch zu denken, war Gerhard Zeiler. Der hatte einen Plan.
profil: Sie haben mehrere Punkte für einen ORF neu aufgezählt. Machen diese den so genannten Bildungsauftrag des ORF aus?
Krassnitzer: Es hätte ja keinen Sinn, aus dem ORF einen Schulfensehsender zu machen oder wieder Russisch-Lektionen auszustrahlen. Das geht heute nicht mehr in der Stringenz wie in den sechziger Jahren. Aber man kann etwa Dokumentationen zeigen. Der ORF hat sich derzeit völlig aus dem Dokumentarfilm verabschiedet: Er finanziert sie nicht mit und zeigt sie nur auf Feigenblatt-Plätzen. Oder man kann eigene Produktionen zeigen. Aber aufgrund seiner Budgetsituation hat der ORF überhaupt keinen Planungszeitraum mehr.
profil: Die Finanzsituation kam ja nicht überraschend. Der ORF hat eine sehr teure Struktur, die Bundesländerstudios sind kostspielig. All das weiß man seit Jahren.
Krassnitzer: Stimmt schon. Für das Bundesländerfernsehen gäbe es aber eine elegante Lösung. Wir senden auf neun digitalen Sendern, die jeder empfangen kann, neunmal dasselbe. Da wirst du verrückt. Ich verstehe nicht, warum dort die Eigenproduktionen nicht verwertet werden.
profil: Dagegen würden die Landeshauptleute protestieren, weil sie dann nicht mehr ihre Exklusivberichte über die Eröffnung neuer Fußgängerzonen bekommen würden.
Krassnitzer: Vom Landeshauptmannfernsehen sollten wir uns endlich verabschieden. Ich bin ja nicht naiv und glaube an einen entpolitisierten ORF. In einem Land, in dem es sogar Autofahrerklubs von ÖVP und SPÖ gibt, wird die Politik immer auch im Fernsehen mitmischen. Alles andere ist nur eine schöne Utopie.
profil: Sie agieren hier mit Zurufen an die ORF-Spitze. Hätten Sie durch Ihr Nahverhältnis zu Wrabetz nicht auch die Chance, ihm auch persönlich Ihre Sicht der Dinge darzulegen?
Krassnitzer: Natürlich könnte ich auch den österreichischen Weg gehen: den Weg des Mauschelns und des Tricksens, um hinterrücks in irgendwelche Darmwindungen zu gelangen. Der ORF ist es aber wert, öffentlich diskutiert zu werden. Sonst sind wir irgendwann so weit, dass in diesem Sender nichts mehr läuft als 24 Stunden Politiker-Palatschinkengesichter.
Das ganze Interview, das Stefan Grissemann und Eva Linsinger mit Harald Krassnitzer geführt haben, ist in der aktuellen profil-Ausgabe (Nr.36 vom 31.August 2009) nachzulesen.
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